Beckenbodenschwäche: „Training und gesunder Lebensstil helfen!“

Am 5. Mai 2022 drehte sich die „Radio Burgenland Sprechstunde“ um das Thema „Beckenbodenschwäche“. ORF-Moderatorin Nicole Aigner sprach darüber mit Dr. Irisz Balint, Gynäkologin am Krankenhaus Oberwart.

Beckenbodeninsuffizienz, wie der medizinische Fachbegriff heißt, ist ein Leiden, das viele Frauen kennen:  Schwangerschaft und Geburt sind eine Belastungsprobe für den Beckenboden. Gezieltes Training beugt vor und hilft auch danach. Aber nicht nur Frauen sind davon betroffen, auch Männer.
Die Symptome reichen von Kreuzschmerzen bis hin zu schwerer Inkontinenz, also Harn- oder auch Stuhlverlust. Beckenbodenschwäche könne bei Frauen die Harnblase, die Gebärmutter, die Scheide und die Schließmuskulatur des Enddarms betreffen. „Bei unnatürlichem Harnverlust oder Stuhlinkontinenz sowie Fremdkörpergefühl in der Scheide, eventuell ziehende Unterbauchschmerzen und Harnentleerungsstörungen sollte ein Arzt aufgesucht werden. Gleichzeitig wäre es für Frauen sehr wichtig, die jährliche Vorsorgeuntersuchung beim Frauenarzt einzuhalten. Denn so können Probleme schon im Frühstadium erkannt werden“, betont Gynäkologin Irisz Balint. Männer sollten zum Urologen oder Urologin zur Untersuchung kommen.

Kein typisches Frauenleiden
Bei Frauen ist die Häufigkeit einer Beckenbodenschwäche aufgrund anatomischer Gegebenheiten viel höher wie bei Männern. Die exakten Zahlen bei Männern werde oft durch Schamgefühl verfälscht. Bei ihnen meldet sich eine Beckenbodenschwäche durch Harn- oder Stuhlinkontinenz, oft aber auch in Form von Erektionsstörungen, Impotenz oder vorzeitigem Samenerguss.
Beckenbodenschwäche ist kein Problem des Alters – auch wenn die ältere Generation nicht gerne darüber spricht, und es auch sehr lange dauert bis sie einen Arzt aufsuchen. Der Rat der Expertin: Bereits sehr früh solle dem Beckenboden Aufmerksamkeit geschenkt werden.  Frauen vor allem nach einer Geburt sollten möglichst früh mit dem Beckenbodentraining beginnen. „Von unserer Seite wird empfohlen, schon sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt mit dem Beckenbodentraining zu beginnen“, so die Medizinerin.

Risikofaktoren und Therapie
Zu den Risikofaktoren gehören zunehmendes Alter, Übergewicht, schwere körperliche Belastung, chronische Verstopfung, neurologische Erkrankungen, wie Multiple Sklerose oder Parkinsonerkrankung, Zuckerkrankheit, Rauchen, Schwangerschaft und Geburt. Und es spielen natürlich auch genetische Gründe eine Rolle. Eine Gewichtsreduktion um mehr als fünf Prozent verbessere schon den unwillkürlichen Harnverlust.
Die ersten Symptome melden sich oft schleichend, werden im Laufe der Jahre immer ausgeprägter. Eine Diagnosestellung im Frühstadium sei natürlich wichtig. Denn dann habe man noch eine breitere Auswahl von Therapiemöglichkeiten und es kann mit konservativen Therapien eine wesentliche Verbesserung der Beschwerden oder sogar eine komplette Heilung erreicht werden.
In den meisten Fällen kommen zuerst konservative Therapiemaßnahmen zum Einsatz, wie etwa Beckenbodentraining, Lebensstilumstellung, falls nötig auch lokale Therapien, um die Scheide zu befeuchten. Beckenbodentraining ist eine unumgehbare Therapieform bei Harnverlustproblemen. Im Falle einer Reizblase empfiehlt die Gynäkologin ein spezielles Blasentraining und eine Lebensstilumstellung sowie eine Umstellung der Ernährung. Kaliumarmes Essen, Vermeiden von konzentrierten Fruchtsäften, stark gewürztem Lebensmitteln und koffeinhaltigen Getränken kann eine Besserung herbeigeführt werden. Beckenbodentraining alleine hilft nur in sehr frühen Stadien. Des Weiteren können pflanzliche und medikamentöse Therapien zum Einsatz kommen.
In ganz schweren Fällen sei eine Operation unumgänglich – vorwiegend kommt die Schlüssellochchirurgie zum Einsatz. Dabei kann schlaffes, hängendes Gewebe der Scheidenwand gestrafft werden, wodurch die Scheide wieder eingeengt oder Gebärmutter und Blasenhals nach oben gehängt werde.

Übungen in Alltag einbauen
Einfache Beckenbodenübungen lassen sich während der Autofahrt oder leichter Haushaltsarbeiten durchführen. Aber auch Sportarten können zur Stärkung des Beckenbodens eingesetzt werden: Pilates, Yoga, Schwimmen oder Reiten wird ein Trainingseffekt auf den Beckenboden nachgesagt. Dazu bieten viele Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten Beckenbodentraining an. Die Kosten dafür werden – sofern eine ärztliche Verordnung vorliegt – teilweise von der Krankenkasse übernommen.

Jeden zweiten Donnerstag auf Radio Burgenland

Die „Radio Burgenland Sprechstunde“ wird jeden zweiten Donnerstag von 15 bis 16 Uhr auf Radio Burgenland ausgestrahlt. Ärztinnen und Ärzte der KRAGES sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialen Dienste Burgenland antworten in der Sendung auf Fragen der Moderatorinnen und Moderatoren zu aktuellen Gesundheitsthemen.

"Radio Burgenland Sprechstunde" - Landesstudio Burgenland (orf.at)