Long-COVID: „Selten erkennen Patienten selbst ihr Leiden“

Am 13. Jänner 2022 war der Medizinische Direktor der KRAGES zu Gast in der „Radio Burgenland Sprechstunde“: Dr. Gerhard Puhr berichtete über die aktuellen Erfahrungen mit Omikron, Long Covid und über die Notwendigkeit neuer Rehabilitationsmedizin.

„Wir sollten alle persönlichen Schutzmaßnahmen, die wir treffen können, einhalten. Dazu zählen das Tragen einer FFP2-Maske, wo immer es nur möglich ist und persönliche Hygiene. Kontakte sollen, so weit wie möglich, eingeschränkt werden. Omikron führt möglicherweise nicht zu destoströsen Veränderungen bei Lunge wie andere Varianten. Es kommt aber auch zu schwereren Fällen. Die Lunge wird nicht so befallen, dafür andere Organe“, so Direktor Gerhard Puhr zu seinen Erfahrungen. Der Internist ist Medizinischer Direktor der Burgenländischen Krankenanstalten-Ges.m.b.H. (KRAGES) und auch Ärztlicher Direktor der KH Oberwart und Güssing.

Dreifachimpfung schützt

„Die Dreifachimpfung, aber auch genesen und geimpft, schützt zu 70 bis 80 Prozent vor dem Krankenhaus oder schweren Verläufen“, so Direktor Puhr weiter in der „Radio Burgenland Sprechstunde“. Das Burgenland sei bestens gerüstet gegen Omikron, sei es durch die Impfung oder anderen Maßnahmen. „Es kann aber noch ein Prozentsatz ins Krankenhaus kommen. Wir befürchten dabei eher eine Belastung im Nicht-Intensiv-Bereich. Es befindet sich noch ein Sockel von Patienten aus der letzten Welle auf den Intensivstationen. Es kann dort auch noch sehr schnell eng werden.“

Zu den milderen Verläufen sagt der Mediziner: „Im Gegensatz zu vorhergehenden Infektionen ist der Geschmacksverlust nicht so ausgeprägt. Es kommen andere Symptome zum Vorschein wie Appetitverlust, Nachtschweiß oder Husten, Schnupfen und Gliederschmerzen.“

Sauerstoffgerät zu Hause nicht sinnvoll

Auf die Frage nach Möglichkeiten für zu Hause sagt Dr. Puhr: „Ich persönlich glaube nicht, dass es sinnvoll ist sich, ein Messgerät für den Sauerstoffgehalt zu zu legen. Einerseits ist die entsprechende Eichung der Geräte notwendig, andererseits können beim Messen sehr viele Fehler passieren. Falsch positive oder negative Werde können auftreten, Unsicherheit oder falsche Sicherheit dazu. Das wesentliche Merkmal ist die Atemfrequenz, das sind im Normalfall 12 bis 16 Atemzüge pro Minute. Bedarf es mehr, kommt es zur Verdoppelung und es droht Gefahr.“

„Hören Sie in sich hinein“

Und: „Selten erkennen Patienten selbst ihr Leiden, wenn sie ins Krankenhaus kommen und zwei Stunden später auf der Intensivstation landen. Wenn man genauer nachfragt, erfährt man, dass sie Beschwerden hatten, diese aber verdrängten. Die Atemfrequenz ist ein kritisches Merkmal, das jeder an sich leicht beobachten kann.“ Sein Rat: „Hören Sie intensiv in sich hinein und nehmen sie Beschwerden Ernst. Wenn Sie sich nach fünf bis sechs Tagen nicht besser fühlen, unter Fieber leiden und eine erhöhte Atemfrequenz haben, sollten Sie einen Arzt oder das Krankenhaus aufsuchen.“

COVID als chronische Krankheit unterschätzt

Zum Thema Langzeitfolgen und Long COVID sagt der ranghöchste KRAGES-Arzt: „Das Risiko ist der Bevölkerung nicht bewusst. Es kann bei einem schweren Lungenbefall zur Zerstörung kommen. Betroffene können ihr tägliches Leben nicht mehr führen. Die Impfung schützt auch vor Long COVID.“

Corona sei deswegen weiterhin „eine tickende Zeitbombe“. Es müssen neue Behandlungsmethoden entwickelt werden. Es gehe um Rehabilitationsmedizin, wo tagtäglich neue Erkenntnisse gewonnen wird.

Mehr Rehab-Plätze notwendig

Aktuell gebe es noch nicht ausreichende Angebote für eine Rehabilitation und dessen Rehabilitationsplätzen. Daran werde gearbeitet. Es müsse allen bewusstwerden und sein, dass COVID nicht nur eine Akuterkrankung ist, sondern sie auch zu einer schweren, chronischen Erkrankung führen könne.

Gerhard Puhr abschließend zum Umgang mit Long COVID: „Als möglichen Notfallplan empfehle ich, sich ein Netzwerk von Menschen aufzubauen, mit denen Sie täglich Kontakt haben, und die anderen Kontakte einzuschränken. Es geht hier darum, dass die Versorgung für den täglichen Gebrauch aufrechterhalten wird. Wir müssen die Nachbarschaftshilfe, die im Burgenland so hochgehalten wird, ins Bewusstsein der Menschen bringen. Es gilt jedenfalls weiterhin: Impfen und Maske tragen!“

Jeden zweiten Donnerstag auf Radio Burgenland

Die „Radio Burgenland Sprechstunde“ wird jeden zweiten Donnerstag von 15 bis 16 Uhr auf Radio Burgenland ausgestrahlt. Ärztinnen und Ärzte der KRAGES sowie Mitarbeiterinnen und  Mitarbeiter der Sozialen Dienste GmbH antworten in der Sendung auf Fragen der Moderatorinnen und Moderatoren zu aktuellen Gesundheitsthemen.

"Radio Burgenland Sprechstunde" - Landesstudio Burgenland (orf.at)