Sucht: „Menge und Verhaltensmuster entscheidend“

Dr. Karl-Heinz Lippl, chefärztlicher Leiter des Psychosozialen Dienstes (PSD) im Nordburgenland, sprach am 10. November über das Thema „Sucht“ in der „Radio Burgenland Sprechstunde“ mit ORF-Moderator Sebastian Györög.

Sucht habe nicht immer sofort etwas mit illegalen Substanzen zu tun, sondern Suchtverhalten könne sich auf verschiedenste Arten zeigen. Dr. Karl-Heinz Lippl erklärt dazu die Parameter, die für die Bewertung einer Sucht herangezogen werden: „Wichtig zu betonen ist zuerst, dass Sucht eine schwere, psychiatrische Erkrankung ist, dies wird oftmals noch nicht so gesehen. Bei einer Suchterkrankung gibt es zum einen den körperlichen Aspekt, bei dem sich der Körper daran gewöhnt und es eine Erhöhung der Dosis gibt. Zum anderen verändert sich das Verhalten, so dass sich der Tagesrhythmus nach dem Suchtmittel richtet.“ Wenn diese Parameter zusammenpassen, dass könne man von einer Suchterkrankung sprechen.

Arten und Ursachen von Sucht

Bei einer Sucht gäbe es verschiedene Arten. „Grob unterscheidet man substanzgebundene und nicht substanzgebundene Süchte. Substanzgebundene Süchte können etwa Nikotin, Alkohol aber auch Opiate oder Aufputschmittel betreffen. Bei den nicht substanzgebundenen Süchten steht eher das Verhalten im Vordergrund, zum Beispiel Internetsucht, Sexsucht oder übermäßiger Gebrauch des Handys“, erklärt der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie.

Krisen wie die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine können sich negativ auf das Verhalten von Menschen auswirken. „Es gibt viele Ursachen für Süchte, soziale Probleme und Ängste gehören hier sicher dazu. Der Konsum von Rauschmitteln erscheint dann als Lösung, um sich kurzfristig besser zu fühlen. Die Tendenz zum Rauschmittelkonsum hat durch diese Krisen zugenommen“, so Dr. Lippl.

Alkoholsucht

Eine Alkoholsucht bleibe öfters unentdeckt, da der Konsum von Alkohol gesellschaftlich toleriert werde. „Das Burgenland hat den höchsten Alkoholkonsum pro Kopf im Bundesländervergleich. Die Lage ist zwar nicht dramatisch, trotzdem müssen wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen. Beim Alkoholkonsum kommt es auf die Menge an, also ob eine körperliche Abhängigkeit entsteht, aber auch auf das Verhalten. Wenn man sich jeden Tag auf sein Achtel Wein am Abend freut, könnte das auch problematisch sein“, erläutert Dr. Lippl. Wenn man in einer Umgebung lebt, wo Rauschmittelkonsum sehr häufig und unreflektiert geschieht, sei man auch eher gefährdet mehr Rauschmittel zu konsumieren.

Steht man einer von Alkoholsucht betroffenen Person nahe, so solle man dieser dazu raten, sich professionelle Hilfe zu suchen. „Das kann durchaus auch erst beim Hausarzt oder der Hausärztin geschehen oder gleich bei Fachärztinnen und Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, wie es der PSD auch anbietet“, so Dr. Lippl. Gegenüber den betroffenen Personen könne man die Veränderung des Verhaltens oder die auftretenden Probleme ansprechen, um zu verdeutlichen, dass professionelle Hilfe sinnvoll wäre. „Beim Weg aus der Sucht sind oftmals die Hausärzte und –ärztinnen die erste Anlaufstelle. Man kann sich aber auch direkt an den PSD wenden und das sogar anonym“, so Dr. Lippl. Gemeinsam mit den Betroffenen werde dann eine Behandlungsstrategie entwickelt. „Diese ist dann individuell abgestimmt. Weil Sucht eine chronische Krankheit ist, dauert die Behandlung meist sehr lange. Im besten Fall ist aber der schwierige Teil der Überwindung nur am Anfang und dauert nur kurz“, führt Dr. Lippl zum durchschnittlichen Verlauf der Behandlungen aus.

Illegale Drogen und Beruhigungsmittel

Bei anderen Substanzen, wie illegalen Drogen oder Beruhigungsmitteln, gibt es ebenfalls Suchterkrankungen. „Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine werden eingenommen und auch verschrieben um in Akutsituationen zu beruhigen. Allerdings kann man sich relativ rasch daran gewöhnen und dann beginnt die Sucht“, so der Facharzt. Der PSD ist für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine Anlaufstelle, wo auch bei diesen Suchterkrankungen geholfen wird.

Bei illegalen Substanzen wie Amphetamine oder Kokain sei das Durchschnittsalter der Konsumenten und Konsumentinnen eher jünger. „Im Gegensatz zu früher werden diese Substanzen auch im ländlichen Raum konsumiert und nicht nur im städtischen Bereich. Viele illegale Drogen werden heutzutage über das Internet bestellt und versendet“, so Dr. Lippl. Eine Veränderung im Verhalten der Kinder oder Enkelkinder könne ein erstes Warnzeichen für die Eltern oder Großeltern sein. „Dieses Warnzeichen kann erstmal angesprochen werden. Die Diagnose sollte aber den Spezialisten und Spezialistinnen überlassen werden. Auch Angehörige können sich beim PSD beraten lassen“, erklärt Dr. Lippl.

Oft überschneiden sich Suchterkrankungen auch. „Substanzgebunde Süchte kommen oft in Kombination mit nicht substanzgebundenen Süchten vor. So kann etwa eine Computerspiel-Sucht mit einer Sucht nach Amphetaminen gemeinsam vorkommen“, schließt Dr. Lippl ab.

Jeden zweiten Donnerstag auf Radio Burgenland

Die „Radio Burgenland Sprechstunde“ wird jeden zweiten Donnerstag von 15 bis 16 Uhr auf Radio Burgenland ausgestrahlt. Ärztinnen und Ärzte der KRAGES sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialen Dienste Burgenland antworten in der Sendung auf Fragen der Moderatorinnen und Moderatoren zu aktuellen Gesundheitsthemen.

"Radio Burgenland Sprechstunde" - Landesstudio Burgenland (orf.at)