Übergewicht: „Grundlage zur Behandlung ist immer eine Veränderung des Lebensstils.“

Primarius Dr. Gerhard Puhr, Ärztlicher Direktor der Krankenhäuser Oberwart und Güssing, sprach über das Thema Übergewicht in der „Radio Burgenland Sprechstunde“ am 29. September 2022 mit ORF-Moderator Marin Berlakovich.

In der Medizin wird das Übergewicht über den sogenannten Body-Mass-Index (BMI) bestimmt, dieser ergibt sich aus Körpergröße und –gewicht. Primarius Dr. Gerhard Puhr erklärt: „Ideal ist ein BMI zwischen 19 und 25, zwischen 25 und 30 hat man ein Übergewicht, welches aber noch nicht gefährlich ist. Ab einem Wert von 30 spricht man von Fettsucht oder Adipositas.“ Dabei gebe es drei verschiedene Schweregrade, abgestuft wird zwischen den Werten 30 bis 35, 35 bis 40 und über 40. „Ab einem BMI von 35 ist eine medizinische Behandlung nötig, wenn keine zusätzlichen Erkrankungen vorherrschen. Wenn es zusätzliche Erkrankungen gibt, dann kann auch schon ab einem BMI von 30 eine Behandlung nötig sein“, so Primarius Puhr.

Folgeerkrankungen durch Übergewicht

Die gängigsten Folgeerkrankungen, die durch Übergewicht ausgelöst werden, sind erhöhter Blutdruck und Blutzucker, Störungen im Bereich der Gelenke (insbesondere Knie- und Hüftgelenke). „Aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Es gibt kaum ein Organsystem, das nicht durch Fettsucht angegriffen wird. Häufung von Krebserkrankungen, Nieren- oder Gallensteine, Sexualstörungen oder auch psychiatrische Erkrankungen können durch Fettsucht auftreten oder verstärkt werden“, so der Ärztliche Direktor.

Fett und insbesondere das Bauchfett sei für den Körper nicht nur ein Energiespeicher, sondern auch ein Gewebe, dass durch Hormonproduktion eine komplette Veränderung des Stoffwechsels hervorruft. „So kann zum Beispiel das Insulin nicht mehr richtig wirken, was auf längere Zeit zu einer Blutzuckererkrankung führt. Auch Sexualstörungen können entstehen, außerdem ist die Abwehr des Körpers geschwächt“, erklärt Dr. Puhr. Auch der Stützapparat des Menschen leide auch unter Übergewicht: „Die zusätzlichen Kilos, die man jeden Tag mit sich trägt, wirken sich natürlich auf die Gelenke und die Wirbelsäule aus.“

Gewichtsreduktion als Schlüssel zum Erfolg

Eine Gewichtsreduktion bei Übergewicht würde die Symptome und Erkrankungen wieder verbessern. „Eine Gewichtszunahme hingegen würde die Situation verschlechtern. Eine medikamentöse Behandlung von Blutzucker müsste etwas erhöht werden und eine Insulintherapie wäre notwendig. Medikamente helfen nur, bekämpfen aber die Ursache, das Übergewicht, nicht“, erläutert Dr. Puhr.

Ein Langzeiterfolg gegen Folgeerkrankungen von Übergewicht sei nur durch Gewichtsreduktion möglich. „Die Therapie gegen Fettsucht stützt sich im Wesentlichen auf drei Säulen. Eine Änderung des Lebensstils mit einer diätologischen Beratung und einer Beratung zur physikalischen Aktivität. Außerdem gibt es Medikamente, die bei einer Fettsucht verwendet werden können. Zuletzt gibt es das Feld der bariatrischen Chirurgie, wo Personen mit sehr hohem BMI und bestehenden Zusatzerkrankungen behandelt werden müssen“, so Puhr. Ein Magenband sei nicht unbedingt effektiv, meist werden Magenverkleinerungen oder Eingriffe im Magen-Darm-Trakt vorgenommen. „Es handelt sich dabei um komplexe Eingriffe, die bewirken, dass Nahrung nicht mehr so gut vom Körper aufgenommen werden kann. Regelmäßige Kontrollen sind hier notwendig. Diese Operationen wirken bei den Betroffenen, allerdings müssen diese sehr gut aufgeklärt und ausgesucht werden, damit den Personen auch wirklich geholfen werden kann“, erklärt Dr. Puhr. Medikamentöse Behandlungen können zu einer Gewichtsabnahme von bis zu fünf Prozent führen, allerdings wirken diese Medikamente individuell und nicht jede Person verträgt sie. „Grundlage zur Behandlung ist immer eine Veränderung des Lebensstils“, so Dr. Puhr.

Psyche als Faktor

Die Psyche spiele bei Fettsucht eine große Rolle. „Deshalb ist eine psychologische oder manchmal auch psychiatrische Behandlung wichtig. Einzelne psychiatrische Erkrankungen führen zur Fettsucht, diese kann wiederum Depressionen hervorrufen. Manche Medikamente in der psychiatrischen Therapie erhöhen auch das Körpergewicht. Deshalb ist bei diesem Thema unbedingt eine fachärztliche Begleitung notwendig“, erzählt Dr. Puhr.

Auswirkungen von Fettsucht vielfach belegt

Generell lebe man gesünder und hat ein geringeres Risiko, an chronischen Krankheiten zu leiden, wenn man auf das Gewicht achtet. „Es gibt zahlreiche Studien, die dies belegen. Fettsucht führt laut einer Studie dreimal häufiger zu einer Invaliditätspension und doppelt so häufig zu Krankmeldungen. Fettsucht hat also auch massive soziale Auswirkungen“, erklärt Dr. Puhr. Die größten Probleme im Lebensstil seien zu viele Kalorien und zu wenig Bewegung. „Wenn man beides ändern kann, hat man eine große Chance auf Erfolg. Auch Geduld ist wichtig, man wird keine zehn Kilogramm innerhalb kurzer Zeit abnehmen, es ist immer ein längerer Prozess“, so Dr. Puhr abschließend.