Bandscheibenvorfall: „Bleiben Sie in Bewegung, denn Bewegung schützt!“

Am 3. März 2022 drehte sich die „Radio Burgenland Sprechstunde“ rund ums Thema „Bandscheibenvorfall“. ORF-Moderatorin Nicole Aigner sprach mit dem Standortleiter der Traumatologie und Orthopädie im Krankenhaus Güssing, Oberarzt Dr. Werner Maurer-Ertl, über das Thema.

Die Wirbelsäule besteht aus 24 übereinandergestapelten Wirbelkörpern, zwischen jedem dieser Wirbelkörper sind elastische, teils gelartige Bandscheiben eingebaut. „Diese Bandscheiben dienen einerseits als Stoßdämpfer und andererseits als Bewegungselemente in der Wirbelsäule Bei einem Bandscheibenvorfall wird der zentrale, gelartige Kern einer Bandscheibe entweder in den Wirbelkanal oder in die Nervenaustrittslöcher gepresst. Dadurch können eine oder mehrere Nervenwurzeln eingeklemmt werden“, erklärt Oberarzt Dr. Werner Maurer-Ertl auf die Frage, was bei einem Bandscheibenvorfall passiere.

Symptome abhängig von betroffener Region der Wirbelsäule

Bei den Symptomen eines Bandscheibenvorfalles gäbe es durchaus Unterschiede: „Symptome können von leicht ziehenden, dumpfen Schmerzen zu Kribbeln und Taubheitsgefühl bis hin zur Lähmung einzelner Muskeln reichen“, so Maurer-Ertl. ORF-Moderatorin Nicole Aigner fragte nach, ob die Symptome auch vom Bereich des Bandscheibenvorfalles abhängig sei.  „Betrifft der Bandscheibenvorfall die Halswirbelsäule, dann strahlen die Symptome in die Arme oder in einzelne Finger aus. Ist die Brustwirbelsäule betroffen, strahlen die Symptome entlang der Rippen über den Brustkorb nach vorne. Bei einem Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule wirken die Symptome in den Beinen oder reichen bis in einzelne Zehen“, erläutert Maurer-Ertl weiter.

Bandscheibenvorfall sollte nicht unterschätzt werden

Man solle als Patientin oder Patient einen akuten Bandscheibenvorfall auf keinen Fall falsch einschätzen. „Leidet man unter massiven Schmerzen und merkt neurologische Ausfälle, merkt man sofort, dass etwas nicht stimmt. Die meisten Bandscheibenvorfälle verursachen zwar massive Schmerzen, sind aber zum Glück harmlos. Falls man massive Schmerzen oder Lähmungserscheinungen einzelner Muskeln oder eines ganzen Armes oder Beines spüren, sollte man zum Ausschluss eines Herzinfarktes oder Schlaganfalles unbedingt eine ärztliche Abklärung durchführen lassen“, erklärt der Oberarzt.

Risikofaktoren und Ursachen

„Einerseits unterliegen Bandscheiben im Zuge des Alterungsprozesses gewisser Abnützungserscheinungen, wodurch sich in der sogenannten Bandscheibenhülle Risse bilden können. Andererseits können durch akute Überbelastungen zum Auspressen des gelartigen Kernes über diese Risse durch die Bandscheibenhülle kommen“, sagt Maurer-Ertl. Das Risiko nehme ab dem Alter von 25 bis 30 Jahren stetig zu. Die wichtigste vorbeugende Maßnahme sei dabei: Rückenmuskultur regelmäßig trainieren und stärken. „Nicht weniger wichtig ist es, die Wirbelsäule beim Heben richtig zu belasten. Schwere Lasten nicht nach vorne übergebeugt anheben, sondern die Kraft aus den Beinen holen.“

Die genetische Veranlagung spiele ebenfalls eine Rolle, dass das Bandscheibengewebe früher oder rascher rissig wird. Allerdings könne man trotzdem durch richtige Belastung und korrektes Heben selbst Einfluss nehmen.

Behandlung von Bandscheibenvorfällen

Ereignet sich ein Bandscheibenvorfall, kann dieser meist ohne Operation behandelt werden. Der erste Schritt wäre, in der Akutphase körperliche Schonung inklusive Hüftlagerung durchzuführen. Die Hüfte und das Kniegelenk werden dabei 90 Grad gebeugt und die Beine auf einem Würfel gelagert. Zeitgleich starte die Schmerzmittelgabe, im nächsten Schritt nach den akuten Beschwerden beginnt die Physiotherapie. „In Einzelfällen ist zusätzlich eine Röntgen- oder CT-gezielte Infiltration der betroffenen Nervenwurzel notwendig“, erklärt Maurer-Ertl. Bezüglich Nachwirkungen gäbe es in fast nahezu allen Fällen keine neurologischen Restsymptome zurückbleiben. In einem Zeitfenster von drei bis sechs Monaten sei die Rückkehr zum Alltag möglich.

Operation nur in wenigen Fällen notwendig

Eine Operation sei unausweichlich, wenn akute, neurologische Ausfälle auftreten. „Bei massiven Lähmungen von Muskeln und vor allem beim Auftreten einer sogenannten Stuhl- oder Harninkontinenz erfolgt unverzüglich die Kontaktaufnahme mit einer Neurochirurgischen Spezialklinik und es wird geprüft, ob eine Operation durchgeführt werden muss“, so der Spezialist. Risiken gäbe es grundsätzlich wie bei jeder anderen Operation auch. „Es gibt das Risiko, dass während oder nach der OP eine stärkere Blutung auftreten kann. In den seltensten Fällen kommt es zu Wundheilungsstörungen und dadurch zu einem weichteiligen Infekt. Es besteht ein kleines Restrisiko, das durch die Operation auch Nervenstrukturen geschädigt werden können“, erläutert der Mediziner.

Die moderne Medizin biete hier aber erfreulicherweise hochentwickelte, mikrochirurgische Techniken, die an hochspezialisierten Kliniken wie an der Universitätsklinik für Neurochirurgie Graz oder am LKH Wiener Neustadt von absolut routinierten Experten angeboten werden.

Rehabilitation als wichtige Nachbehandlung

Eine Rehabilitation solle in jedem Fall organisiert und durchgeführt werden. „Das Entscheidende ist dann aber, dass man die gelernten Übungen und Verhaltensregeln in den Alltag konsequent einplant“, so Maurer-Ertl. Es könne auch danach immer wieder zu einem Bandscheibenvorfall kommen. Daher sei es umso wichtiger, alle im Zuge einer Rehabilitation und Physiotherapie erarbeiteten Übungen konsequent in den Alltag zu integrieren. Die erlernten Wirbelsäulen-Aufbauübungen sollten für das restliche Leben fortgeführt werden.

Dr. Werner Maurer-Ertls Tipp zum Abschluss: „Bleiben Sie in Bewegung, denn Bewegung schützt!“

Jeden zweiten Donnerstag auf Radio Burgenland

Die „Radio Burgenland Sprechstunde“ wird jeden zweiten Donnerstag von 15 bis 16 Uhr auf Radio Burgenland ausgestrahlt. Ärztinnen und Ärzte der KRAGES sowie Mitarbeiterinnen und  Mitarbeiter der Sozialen Dienste GmbH antworten in der Sendung auf Fragen der Moderatorinnen und Moderatoren zu aktuellen Gesundheitsthemen.

"Radio Burgenland Sprechstunde" - Landesstudio Burgenland (orf.at)